meine ersten Tage in Indien
Father Thathi? Are we going to work in the boys or the girls project?
Diese Frage stelle ich etwa fünf Minuten vor unserer Abfahrt vom
Provincial House (das Haupthaus des Don Bosco Projekts in Hyderabad, Father Thathi ist der Provinzial von Hyderabad) in unser zukünftiges Projekt. Da stellt sich heraus,
dass wir doch ins Mädchenprojekt nach Hayath Nagar in Hyderabad kommen. Nach
kurzen Schocksekunden sind Sophie und ich aber sofort Feuer und Flamme für
unser neues Projekt!
Da der Körperkontakt zwischen Mädchen und Jungs in Indien viel strenger gehandhabt wird wie zum Beispiel in Europa, freuen wir uns nun so richtig, einige Zeit mit den Mädls in Hayath Nagar zu verbringen. Hier können wir sie umarmen, an den Händen nehmen, zum Trösten über den Rücken streicheln, auf unseren Schoß sitzen, sie kitzeln, kuscheln,... all das wäre im Jungsprojekt nur begrenzt oder überhaupt nicht möglich. Zwischen den beiden Geschlechtern herrscht hier nämlich eine weit größere Distanz, die sowohl von den Kindern und Jugendlichen, als auch von Seiten der Volontäre eingehalten werden muss!
Unser Einsatz bei den Mädls wird laut Father Thomas (Direktor vom Projekt in Hyderabad) jedoch nur von kurzer Zeit sein, da es eigentlich auf Grund der Größe nicht vorgesehen ist, dass Volontärinnen hierhergeschickt werden. Das Projekt "Don Bosco Navajeevan Prem Seva Sadan" - so der Name der Einrichtung in Hayath Nagar - sorgt sich um rund 45 Mädls, wovon etwa 35 sechs Tage die Wochen in die Schule gehen und erst um 16:30 wieder zurückkommen. Die restlichen Jugendlichen bleiben im Projekt, da der Großteil von ihnen die Open 10th Class besucht und etwa drei Mädls erst nächstes Jahr eingeschult werden. Die Open 10th Class zu besuchen bedeutet, dass die Schülerinnen ihren Tag nicht mehr in der Schule verbringen, sondern im Projekt, wo sie von den Sisters in Englisch, Telugu (die hier gesprochene Sprache) und Mathematik unterrichtet werden. Gemeinsam bereiten sie sich hier auf die Final Exams im April vor. Haben sie diese bestanden, so können sie entweder von der Schule auf´s College gehen oder eine Arbeitsausbildung beginnen.


In den ersten Tagen versuchen wir hier herauszufinden, welche Aufgabenbereiche
auf uns zukommen werden, wo wir einkaufen können, wie die Mädchen sind, was
ihnen Spaß macht, und wo wir bei alltäglichen Tätigkeiten mitanpacken können.
Dieses Hineinfinden in unsere Arbeit fällt uns aber erstaunlich schwer, da ein
Großteil des Tages nur sehr wenige Kinder und Jugendliche hier sind. Zusätzlich
waren bislang noch keine dauerhaften Volontäre im Projekt, weshalb diese
Situation auch für die Sisters neu ist und ein richtiger Zeitplan mit passenden
Aufgaben erst erstellt werden muss.
Dennoch freuen sich alle Mädchen dass wir da sind, um Zeit mit ihnen zu verbringen. Berührungsängste darf man hier auf keinen Fall haben, denn schon wenige Minuten nach meiner Ankunft packen mich einige Kinder an den Händen und zeigen mir das Projekt und unser Zimmer. Umgeben von den Mädls fühle ich mich sehr wohl! Sie sind offen, mega herzig und zeigen keine Scheu, uns in alles einzuweihen und uns zu zeigen.


Haushaltsmäßig sind die Girls hier echt um einiges besser drauf als ich: Das Wäsche waschen mit der Hand gehört zu den Dingen, die sie definitiv geschickter beherrschen als wir Österreicherinnen. Meine ersten Versuche, die Kleidung sauber zu bekommen verlaufen wohl nicht ganz so optimal - zumindest schließe ich das aus den lachenden Gesichtern von den Kids. Auch das Nähen ist zu Beginn eine kleine Herausforderung, doch mit Hilfe der Köchin im Projekt erlerne ich ganz rasch, wie ich meine Kleidung selbst enger nähen kann.
Apropos Kleidung. Dies ist generell ein Thema, auf das ich mich sehr gefreut habe und welches in Indien eine sehr große Bedeutung hat. Farbenfroh, auffallend und in verschiedenen Variationen und Längen. Die meisten Frauen tragen hier eine normale Leggings oder Jeans und dazu ein Kleid, welches entweder bis zu den Knien oder darüber reicht. Farblich passend kommt dazu dann ein luftiger Schal, der das Dekolletee einer Frau bedecken soll.
Auch wir kommen in den Genuss, diese traditionelle Kleidung
zu tragen :) Doch zuvor müssen wir erstmal passende Kleider finden, was uns echt nicht
leicht fällt. Die Damen an den Ständen in der Stadt und in den Geschäften sprechen
nur sehr begrenzt englisch und ohne das richtige Fachvokabular, müssen Sophie
und ich uns erstmal ein wenig durchprobieren. Recht groß ist meine Ausbeute
beim ersten Einkauf leider nicht. Nur ein gelbes Kleid hat es in meine Tasche
geschafft. Dafür konnte ich einen Einblick in die indische Kultur erlangen:
Der Verkehr hier ist mit Österreich nicht einmal ansatzweise zu vergleichen.
Richtige Straßenregeln kann ich nicht erkennen... nur eine einzige: Hupen was das
Zeug hält haha
Zusätzlich sind wir als hellhäutige Frauen ein echter Blickfang und so müssen
wir auch direkt nach wenigen Minuten in der Stadt für einige Selfies mit den
Einheimischen herhalten...


Genau dieselbe Situation erleben wir, als Sophie und ich an unserem freien Tag mit den zwei Volontären Mauritius und Simon vom Projekt in Ramathapur in Hyderabad auf ein Cricket Match gehen. Einige tausend Menschen haben sich hier im Stadium zusammengefunden, um Indien gegen Australien anzufeuern. Als wir dann in der Pause die Toiletten aufsuchen wollen, sind wir auch schon umgeben von zig Indern die alle rufen: "please, only one selfie" und "it´s the last one!". So recht stimmen ihr Aussagen aber nicht, denn nach ungelogenen 15 Minuten dauergrinsen, Händeschütteln und etwa 100 Selfies schaffen wir es endlich, uns von der Menge loszureißen und wieder zu unserem Platz zurückzufinden. Mit so einer Reaktion hätte ich im Leben nie gerechnet und es erstaunt mich total, dass wir auf Grund unserer Herkunft und Hautfarbe ein solcher Fotomagnet sind. Diese Erfahrung hat mich ein weiteres Mal sehr positiv von Indien überzeugt. Die Menschen hier sind unglaublich liebenswürdig und freuen sich extrem, wenn sie auf Ausländer treffen.


Ich bin sehr dankbar, hier zu sein und die Mädchen und ihre Kultur kennenzulernen. Das kommende Jahr wird definitiv nicht langweilig, so viel wurde mir in den letzten Tagen bewusst.