ein kleiner Rückblick
"Ab jetzt wird nicht mehr rauf- sondern runtergezählt."
Genau dieser Gedanke schwirrte mir im Kopf herum, als ich am 20.08. meine Halbzeit in Indien erreichte... ja und auch seitdem sind auch schon wieder einige Wochen vergangen. Wo bitte ist die Zeit geblieben? Gerade eben noch habe ich in das Projekt nach Ramanthapur gewechselt und schon sind hier mehr als vier Monate rum. Die Zeit vergeht so unfassbar schnell und somit macht mir der Zeitdruck etwas zu schaffen.
Was diese Monate so los war:
Ich dachte mir, anlässlich zu meinem Halbjährigen in Indien, möchte ich einfach mal auf die Zeit hier zurückblicken. Zusätzlich sind vor einer Wochen zwei neue Volontärinnen aus Deutschland zu uns gekommen, was mich auch sehr an meine anfängliche Zeit erinnert und mir vor Augen führ, wie sehr ich mich eigentlich schon verändert habe.
Also: In diesen Monaten habe ich so viel erlebt, gesehen und gelernt wie noch nie zuvor in meinem Leben! Natürlich liegt das zum Großteil daran, dass ich meine Komfortzone von zu Hause verlassen habe und mich in ein riesengroßes und ungewisses Abenteuer gestürzt habe - wohl die beste Entscheidung meines Lebens!! Die ersten zwei Monate meines Volontariats waren gefüllt mit neuen Eindrücken, Bräuchen, Gerüchen und Geschmacksrichtungen. Eine Woche erschien mir wie ein ganzes Monat, da jeden Tag so viele neue und unerwartete Dinge passierten. Dennoch war gerade die Anfangszeit die Herausforderung schlecht hin! Wenn ich mich daran zurückerinnere wie es mir in den ersten Monaten ergangen ist, werde ich doch schon etwas stolz auf mich und mein Durchhaltevermögen. Damals war mir echt nicht bewusst, wie stark und souverän ich die Probleme zu dieser Zeit gemeistert habe. Wenn du etwas mitgelesen hast in den letzten Blogeinträgen, dann weißt du sicher noch, wie schwer die Zeit im Mädchenprojekt war. Täglich begleitete mich der Gedanke nach Hause zu fliegen und alles hinzuschmeißen. Im letzten Monat dort bestand jeder Abend darin, dass ich gemeinsam mit Sophie weinend im Zimmer saß, wir unsere Tagebücher füllten, um das erlebte zu verarbeiten und uns versuchten irgendwie gut zuzureden, damit wir den nächsten Tag irgendwie schafften.
... jaja, einfach war das nicht und zu dieser Zeit war ich dem Projekt in Hayath Nagar, den Sisters und Kindern sehr negativ gegenüber eingestellt. Es hat mich alles nur noch genervt und traurig gemacht. Wenn man mich zu dieser Zeit fragte, wie ich es so finde in Indien, dann war meine Antwort doch sehr negativ. Heute aber, sehe ich das alles schon gaaaanz anders. In den vergangenen Monaten hatte ich einfach die Zeit, Abstand von dort zu gewinnen und schön langsam wuchs Gras über all die Geschehnisse. Mittlerweile empfinde ich die Zeit im Mädchenprojekt äußerst positiv - klar ich weiß noch ganz genau wie schwer es war und wie schlecht es mir ging. Dennoch sind nun die tollen Erlebnisse viel präsenter und ich kann meinen Einsatz dort viel objektiver und auch positiver betrachten. Das tolle an so schwierigen Zeiten ist eben, dass man persönlich eine große Entwicklung zurücklegt und genau diese Entwicklung kann ich bereits jetzt an mir erkennen.
- übrigens haben wir das Mädchenprojekt vor Kurzem wieder besucht. Es war ein echt schöner Nachmittag! Die Mädls sind uns um den Hals gefallen, als sie uns gesehen haben. Für mich war das Wiedersehen richtig emotional, da ich eigentlich nicht damit gerechnet habe, so viele Mädls von damals wiederzusehen! Wir haben herumgeblödelt und gespielt, gelacht und richtig viel getanzt. Etwa zwei Stunden hat uns DJ Sister Mary mit den feinsten indischen DJ Songs versorgt... ein richtig gelungener Besuch!! -



In Ramanthapur ging dann nach dem Wechsel alles sehr, sehr entspannt weiter. Ich hatte Zeit, mich etwas zu erholen und empfand wieder mehr Spaß an meinem Volontariat. Dieser Projektwechsel war wirklich sehr gut: Die neuen Freiheiten und wiedergewonnene Freizeit in diesem Projekt, die neuen drei Mitvolontäre und auch die Zimmer, welche in einem separaten Teil des Gebäudes waren und somit für die Kinder nicht erreichbar, halfen mir dabei, meine Laune wieder zu heben. Schnell hab ich mich in Ramanthapur eingelebt und war wieder motiviert. Ich hatte endlich wieder Zeit, mich auf mich selbst zu konzentrieren und Dinge zu tun, die mir persönlich viel Freude bereiten. Wir starteten zusätzlich unsere große Malaktion in den Schlafzimmern der Jungs.
Wie es mir mit den Kindern hier so geht:
Ein Aspekt, auf den ich vor dem Wechsel sehr gespannt war, war, dass ich zukünftig nicht mehr mit Mädchen sondern mit Jungs zusammenarbeiten werde. Gerade in Indien kann das oftmals etwas herausfordernd sein - das war es auch für mich diese Monate des Öfteren. Immer wieder wurden wir von den Fathers daran erinnert, nicht zu enge Beziehungen mit den Burschen aufzubauen. Körperkontakt ist grundsätzlich ein Tabuthema, bis auf ein paar kleine Ausnahmen (angreifen an den Handgelenken oder Schulterklopfen sind meist kein Problem). Für mich als sensibler, offener und empathischer Mensch, war es manchmal echt schwer, die genauen Grenzen herauszufinden und sie strikt einzuhalten. Sprich, hin und wieder habe ich auch mal einen Burschen in den Arm genommen, um ihn zu trösten, wenn er vor mir zu weinen begonnen hat.
Die Jungs sind mir in dieser Zeit auf jeden Fall schon unglaublich ans Herz gewachsen! Ich bin immer wieder überrascht, welch starke Bindung man in so kurzer Zeit aufbauen kann. Besonders aufgefallen ist mir das, als ich am Wochenede meinen 21. Geburtstag feierte. Alle waren so bemüht, mir einen schönen Tag zu bereiten, mir eine kleine Freude zu machen und immer wieder haben sie mir zu spüren gegeben, wie sehr sie mich mögen - da stiegen mir wahrlich die Tränen in den Augen. Anlässlich meines Geburtstages fand am Abend ein Programm statt. Die Jungs haben zwei Tänze für mich aufgeführt und Reden gehalten, Sophie hat mir eine Powerpoint vorbereitet und dann wurde traditionell der Kuchen angeschnitten. Die Tänze waren wie immer richtig toll und in solchen Momenten bin ich immer wahnsinnig stolz auf meine Boys. Danach habe ich ihnen ein leckeres Abendessen gesponsert und die selbstgemachte große Bananen-Schoko-Schnitte verteilt. Wenn ich daran denke, was ich durch sie schon alles lernen durfte, dann war das wohl wirklich nur eine Kleinigkeit. Sie haben sich die Mägen vollgeschlagen, als gäbe es kein Morgen und haben das Essen so richtig gefeiert - so schön, dass ich ihnen eine kleine Freude machen konnte.



Wie es mir mit dem Heimweh geht:
Heimweh? Was ist das?
... naja so ist es dann eigentlich auch nicht wirklich. Natürlich hatte ich schon des Öfteren richtig starkes Heimweh und die eine oder andere Tiefphase, in der ich am liebsten nach Hause geflüchtet wäre. Solche Momente hatte ich aber eigentlich nur, wenn es gerade sehr schwierig im Projekt war oder ich mit meiner eigenen Arbeit unzufrieden war. Meist hatte ich dann nicht so richtiges Verlangen nach Hause zu fliegen, sondern einfach eher mit meiner Eltern persönlich sprechen zu können oder etwas cooles mit Freunden unternehmen zu können. Also, wieder zurück in die Komfortzone zu kommen.
Momentan muss ich aber gestehen, dass ich alles möchte, nur nicht nach Hause. Ich habe NUR NOCH 4 ½ Monate... whaaaaat? Die Zeit wird so schnell rum sein - wenn ich könnte, dann würde ich am liebsten meinen Einsatz verlängern! Leider geht das nicht... aber wer weiß, vielleicht buch ich mir gleich wieder einen Flieger und komm wieder nach Indien haha.
Wie ihr also lesen könnt, fühl ich mich ausgesprochen wohl in Indien. Es ist die tollste Zeit und Erfahrung. Ich habe schon immer gewusst, dass ich Kinder sehr gerne mag, doch in den letzten Monaten hat sich herausgestellt, dass ich sie nicht nur mag sondern liebe!!



Und egal welche Probleme mit den Projektpartnern oder der Arbeit auftauchen, sobald ich mit meinen Kids zusammen bin weiß ich wieder, wieso ich hier bin und auch mal schwierige Situationen auf mich nehme!