1. Vorbereitung

11.02.2019

Den ersten Schritt gemeinsam gehen

Eineinhalb Stunden im Zug von Linz nach Wien habe ich Zeit, um mir Gedanken darüber zu machen, wie wohl das allererste Zusammentreffen mit den anderen Volontären in meinem Vorbereitungskurs werden würde. Woher kommen die anderen? Was hat sie dazu angeregt, ein Volontariat zu machen? Wird es mir leicht fallen, mit den anderen ins Gespräch zu kommen? Wo werden wir schlafen und wie wird die Zimmeraufteilung sein? Was erwartet mich generell an diesem Wochenende?...

Gemeinsam mit 19 weiteren motivierten Freiwilligen und einem perfekt organisierten, fünfköpfigen Vorbereitungsteam starte ich also am Freitag den 12. Oktober 2018 um 14:00 Uhr in das erste Vorbereitungswochenende von "Volontariat bewegt", welches unter dem Thema "Den ersten Schritt gemeinsam gehen" steht. Bei Kaffee und selbstgemachten Kuchen im Studentenheim "Salesianum" werden sofort die ersten Kontakte geknüpft und Gespräche begonnen. Nach einer informativen Kennenlernrunde und einigen Kennenlernspielen starten wir auch sofort ins erste gemeinsame Wochenende.

Für mich persönlich sind diese drei Tage sehr emotional, da ich zum ersten Mal realisiere, welch große Veränderung auf mich zukommen wird. In Gruppen besprechen wir - passend zu meiner Gefühlssituation - welche Ängste wir haben, welche Herausforderungen uns wohl erwarten werden, wie wir mit dem Abschied von zu Hause umgehen werden, ob Beziehungen und Freundschaften diese Distanz aushalten können,... Anschließend schreibt jeder für sich seine Herausforderungen und Ängste auf einen Zettel. Diese werden dann gemeinsam symbolisch in einem Feuer im Innenhof verbrannt: nun gibt es nichts mehr, das uns zurückhält... naja schön wär´s, wenn es so einfach funktionieren würde. Aber immerhin ist es eine schöne Geste und es tut sehr gut, sich mit Gleichgesinnten austauschen zu können und seine Bedenken ernsthaft niederzuschreiben. Hinterher nehmen wir uns auch Zeit, über unsere Motivationen nachzudenken. Auch diese halten wir wieder auf einem Stück Papier fest. Gemeinsam gehen wir auf die Dachterrasse des Studentenheims und binden dort unsere Zetteln an einem Luftballon fest. 3, 2, 1, los... unsere Ballons schweben davon.

Im Modul 1 finden auch einige organisatorische Themen wie "Einsatzfinanzierung durch Förderungen und Spenden", "Veranstaltungen für Volontariat bewegt" und die "Festlegung der Einsatzsprache" ihren Platz. Für mich stellt sich heraus, dass ich in ein englischsprachiges Einsatzland kommen werde - voraussichtlich Indien, doch Genaueres werde ich in den kommenden Wochen erfahren.

Ein Highlight an diesem Wochenende ist definitiv ein Theaterstück: Ohne jegliche Informationen werden wir Volontäre gemeinsam in einen Raum geschickt, wo bereits Martin und Johanna aus unserem Vorbereitungsteam warten, um uns zu begrüßen. Es ist völlig still im Raum und keiner spricht mit uns. Es duftet nach Räucherstäbchen und beide haben orientalische Stoffe um den Körper gewickelt. Die Kommunikation läuft nur über Mimik, Gestik und verschiedene Laute ab. Gleich zu Beginn wird uns mit "Tss"- und "Mh"-Geräuschen verdeutlicht, welche Sitzordnung es im Sesselkreis gibt. Die Männer sitzen auf den Stühlen, die Frauen am Boden. Alle weiblichen Volontärinnen müssen die Socken ausziehen. Anschließend gehen Johanna und Martin mehrere Male im Kreis herum. Martin geht dabei immer als Erster und berührt nur mit seinen Fußballen den Boden. Johanna folgt ihm und hebt ihre Fußflächen überhaupt nicht vom Boden ab.

1. Runde: Martin wäscht den Jungs die Hände.                                                           

2. Runde: Die Jungs werden von Martin mit dem Zusammenbringen der Knien begrüßt.                                                                                                                              

3. Runde: Alle Mädls werden von Johanna begrüßt, indem sie sich mit ihren hochgestreckten Händen verbeugungsartig auf die Schöße der Mädls niederlässt.

4. Runde: Die Jungs bekommen von Martin eine Nuss in den Mund geworfen.   

5. Runde: Die Mädls bekommen von Johanna die Nuss in den Mund gegeben.

Zwischen den Runden setzen sich die beiden immer wieder auf ihre Plätze, um ein gewisses Ritual durchzuführen. Martin sitzt auf dem Stuhl auf seinen Beinen und legt seine Hand auf den Kopf von Johanna, die rechts neben ihm am Boden sitzt. Johannas Oberkörper und die Hand von Martin machen gemeinsam eine kreisende Bewegung während beide ein lang andauerndes "Mh"-Geräusch von sich geben.
Ende des Theaterstücks und viele verwirrte und gespannte Gesichter.

Anschließend werden wir in Kleingruppen eingeteilt und eine Diskussionsrunde wird eingeleitet. In der Gruppe werden durch vorgegebene Fragestellungen viele verschiedene Themen angesprochen: Werte, Rollenverteilung, Konditionierung, bis hin zur Sexualität. ... Na, wie interpretierst du diese Situation? Welchen Stellenwert haben für dich Mann und Frau?

Dann folgt die Auflösung: Martin und Johanna stammen in diesem Theaterstück aus einem Amazonas-Stamm, in der die weiblichen Wesen verehrt werden, da sie fruchtbar sind und somit für das Weiterbestehen des Stammes verantwortlich sind. Das ist auch gleichzeitig der Grund, wieso sie am Boden sitzen. Denn dieser Stamm verehrt die Mutter Erde und die Frauen können Barfuß und am Boden sitzend bestmöglich die Energie der Mutter entgegennehmen. Die Männer müssen immer versuchen, genügend Distanz zum Boden zu haben und können sich daher nur über das Berühren des weiblichen Kopfes mit der Mutter Erde verbinden. Außerdem sind die Männer dafür verantwortlich, dass den Frauen nichts passiert. Deshalb bekommen sie zuerst die Mahlzeit und gehen immer vor den Frauen her, um sie zu beschützen.

Durch dieses Theaterstück will uns das Vorbereitungsteam auf eine Sache aufmerksam machen: das Einsatzland jedes Volontärs ist geprägt von verschiedensten Bräuchen, Sitten und Entwicklungen. Was für uns Westeuropäer skurril erscheinen mag, kann aber für die Bewohner des Landes ganz normal sein. Deshalb ist es wichtig die Werte und Normen des eigenen Heimatlandes nicht automatisch auf das Einsatzland zu übertragen.

Der Abschied am Sonntag fiel mir definitiv nicht besonders leicht, da ich die Zeit gemeinsam mit den anderen Volontären sehr genossen habe! So viele tolle und empathische Menschen auf einmal kennenzulernen ist ein absolutes Geschenk. Und, auch wenn das Wochenende durch Höhen und Tiefen geprägt war, freue ich mich bereits jetzt auf das kommende Modul 2 und bin dankbar, ein Teil dieser Gruppe zu sein! :)

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